52 Prozent sind in Deutschland der Meinung, Geschäftsführer von Unternehmen müssten sich zu wichtigen politischen Ereignissen äußern: Dieses Meinungsbild als Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von JP|KOM, Civey und der Quadriga Hochschule war schon 2019 überraschend – und setzt bis heute Geschäftsführer und Vorstände gehörig unter Druck. Sie müssen sich laufend die Frage stellen, ob dies nur ein Thema der großen DAX-Unternehmen oder eine Erwartungshaltung ist, mit der sich selbst kleine mittelständische Unternehmen auseinandersetzen müssen.
Tatsächlich ist es ja nichts Neues, dass Unternehmen nicht nur über ihre Leistungen und Produkte wahrgenommen werden, sondern ihr wirtschaftlicher Erfolg zunehmend auch von ihrem Handeln und dem Umgang mit den Interessen ihrer Stakeholder abhängig ist – aber dass ein überwiegender Teil der Gesellschaft findet, Unternehmen und ihre Vertreter an der Spitze müssten zu aktuellen Themen Farbe bekennen, entlässt keine und keinen UnternehmenslenkerIn aus der Verpflichtung, in diesem Thema eine Haltung einzunehmen.
Mit zwei Fragen versuchen Geschäftsführer von klein- und mittelständischen Unternehmen die Relevanz dieses Themas häufig für sich selbst zurückzuweisen: 1. Ist das nicht nur was für die großen Unternehmen und muss ich mich nicht vor allem um die wirtschaftliche Performanz meines Hauses kümmern? Und 2.: Wozu soll ich mich schon äußern?
Diese Fragen haben zweifelsohne ihre Berechtigung, denn welchen Gewinn kann beispielsweise ein Schraubenhersteller aus dem Fränkischen ziehen, wenn er sich zu weltpolitischen Fragen äußert? Aber zugleich ist dies genau der Kulminationspunkt, an dem ein Unternehmen ausgehend von seinem Geschäft im Abgleich mit seinem näheren und weiteren Umfeld seine Positionierung finden muss. Vision und Leitbild, Corporate Governance und die Akteursrolle im gesellschaftlichen Handeln gehören dazu nochmal auf den Prüfstand. Es gilt, eine Haltung in den gesellschaftlichen Fragestellungen zu ermitteln, die auf das eigene Unternehmenshandeln mittelbar oder unmittelbar Einfluss haben könnten.
Getrieben werden muss dies im Übrigen von der Unternehmensführung: Kommunikatoren und strategische Abteilungen arbeiten vorbereitend und als Sparringpartner. Letzteres gilt vor allem auch für die Phase des Haltungzeigens. Fraglos muss nicht jeder Unternehmenschef twittern oder mit einem Statement die überregionalen Zeitungen zu einer Berichterstattung animieren, aber im Einzelfall könnte sich eine pointierte Haltungsäußerung lohnen. Und vor allem ist das Signal nicht zu unterschätzen, das nach innen ins Unternehmen geht!
Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind relevante Stakeholder! Tatsächlich wird im Mittelstand häufig dieser Fakt unterschätzt: Interne Kommunikation frisst dort immer noch ein Nischendasein und wird als Pflichtaufgabe (durchaus auch von Personalabteilungen) miterledigt. In Zeiten von Digitalisierung und der massiven Veränderung unserer Arbeitswelt, dem demographischen Wandel mit dem nicht mehr zu übersehenden Fachkräftemangel ist dies allerdings fast fahrlässig.
Unternehmenschefinnen und Unternehmenschefs müssen auch hier ihre Verantwortung in der Rolle unbedingt überdenken: Die Mitarbeiterschaft erwartet heute zu Recht, eine klare Führung. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation erlaubt keine auf fünf oder gar zehn Jahre unverrückbaren Zielsetzungen mehr, aber umso wichtiger ist die Definition von Unternehmenszweck und -identität, von gesellschaftlichem Nutzen und Unternehmenswerten, die die Mitarbeitende tragen (können).
Damit diese Begriffe sich nicht als Papiertiger entlarven, müssen GeschäftsführerInnen eine aktive Kommunikationsrolle ins Unternehmen hinein übernehmen. Wenn er oder sie nicht persönlich für Handeln und Wandel stehen können, bleibt ihre Glaubwürdigkeit auf der Strecke: Haltung zu zeigen ist also alternativlos! Alles andere gefährdet die Motivationsfähigkeit sowie die Leistungs- und Wandlungsbereitschaft der Mitarbeiterschaft.